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Rituale im Dojo sind untrennbar verbunden mit der Etikette im Dojo. Der Hauptgrund für diese Verhaltensweisen ist, sich durch wiederholende Abläufe den Geist und die Gedanken auf den Moment zu konzentrieren. Und genau darin liegt die große Schwierigkeit. Sich immer wieder von neuem auf dieselbe Sache einlassen und diese mit der gleichen Konzentration wie beim ersten Mal durchführen.
Aber wieso machen wir bestimmte Tätigkeiten im Dojo so wie wir sie machen? Und warum ist etwas dort so angeordnet wie es angeordnet ist?
Das genau zu erklären würde den Rahmen eines Blogeintrages sprengen. Vieles was wir tun und lassen hat evolutionäre, religiöse, ethische, geschichtliche, biologische, naturwissenschaftliche oder gänzlich andere Hintergründe.
Ich möchte heute nur vier kleine Beispiele aufgreifen und einen Ansatz dazu geben, warum etwas so ist wie es ist. Sicherlich gibt es aus einem der oben genannten anderen Hintergründe auch noch eine völlig andere Ansicht der Dinge.
Ich persönlich finde es überaus spannend auch nach all den Jahren noch Neues aus vorgegebenen Tätigkeiten zu lernen.
Nehmen wir zu Beginn der Überlegungen als ersten Punkt den Eingangsbereich des Dojo, der Sporthalle, oder sogar des eigenen Zuhauses. Wir betreten diesen Bereich mit unseren Straßenschuhen. Wir bringen Schmutz, kleine Steine oder Schneematsch und Salz von draußen ins Dojo. Der gesunde Menschverstand und auch die eigene Erziehung bringen uns dazu die Schuhe auszuziehen und auf Socken oder Hausschuhen das Innere des Gebäudes zu betreten. Meistens. Soweit so gut. In vielen Dojo, vor allem in Japan ist dieser Bereich baulich abgegrenzt. Durch unterschiedliche Bodenbeläge, eine Stufe oder vielleicht einen Vorhang. Dies soll einen darauf hinweisen, dass man etwas zu tun hat, bevor man das Innere des Hauses betritt. Nämlich möglichst mit sauberen Füßen eintreten.
Und hier gehen wir mal ins Detail. Wir betreten mit dreckigen Schuhen das Dojo, ziehen sie aus und stellen sie, falls vorhanden ins Schuhregal. Nun gehen wir auf Socken über oben genannte Begrenzung und stehen….mit dreckigen Socken im sauberen Bereich des Dojo. Schon ist uns der erste Fehler unterlaufen, indem wir zwar die Schuhe ausgezogen, aber mit den sauberen Socken vom Schuhregal ins Dojo gegangen sind. Daher gibt es bei uns im Dojo nochmals eine sichtbare Abtrennung. Von der Tür bis zum Schuhregal liegt ein Teppich auf dem man sich die Straßenschuhe auszieht und ins Regal stellen kann. Daneben ist ein anderer Teppich, den man mit Socken betritt. Manche haben auch Zori oder Badelatschen für den Aufenthaltsbereich. Dann folgt eine Fußleiste, die den Aufenthaltsraum vom Eingang trennt. So hat man die Möglichkeit einen Fuß aus dem Schuh auf einen sauberen Bereich zu stellen, dann den anderen Fuß. Vor allem dann, wenn man keine Tabi trägt sollte man darauf achten, dass die Socken sauber und ganz sind. In der Umkleide zieht man sich dann die Tabi an und betritt damit die Mattenfläche.
Mit diesem Prozedere soll sichergestellt werden, dass kein Schmutz oder Steine auf die Mattenfläche gelangt und der Ort rein bleibt.
Oft ist es so, dass man nach einer Zeit nachlässig wird und doch mal mit den Socken im unsauberen Bereich umherläuft, da man die Arme nicht lang genug hat um die Schuhe im Regal zu platzieren. Übt euch wieder in den kleinen Dingen und achtet in Zukunft darauf, wie ihr es macht. Selbst in einer Turnhalle, sogar im Fitnessstudio kann man sich beibringen den Schmutz draußen zu halten, indem man nicht mit den sauberen Schuhen oder Socken in einem dreckigen Bereich rumläuft.
Weiter mit Punkt 2.
Und wenn die Schuhe ausgezogen und abgestellt sind, habt ihr einmal darauf geachtet, wie ihr eure Schuhe platziert? In welche Richtung zeigen eure Schuhe? Oft stehen und liegen die Schuhe durcheinander verteilt im Eingangsbereich….vor dem Schuhregal. Die Nachfolgenden absolvieren somit schon die erste Trainingseinheit beim Überqueren des Hindernisparcours. Meine Schuhe hingegen stehen immer am selben Platz und zeigen immer Richtung Ausgang. Der Grund dazu ist relativ einfach. Mussten früher die Samurai nachts schnell das Haus verlassen, so mussten sie sich nicht lange damit aufhalten ihre Schuhe (Zori) zu suchen. Da sie immer am selben Platz standen konnte man quasi beim Rausgehen in die Zori schlüpfen und sparte Zeit, die zur Flucht oder Kampf nötig war. Ich nutze diese Art auch zu Hause. Nicht, dass ich kämpfen oder flüchten möchte, sondern um Ordnung zu halten und Zeit zu sparen.
Zu Punkt 3 möchte ich gerne ein paar Worte über die Sitzordnung im Dojo verlieren. Den Eingang zum Mattenbereich nennt man Shimose. Gegenüber liegt Shômen. Dort befindet sich erhöht die Kamidana. Darunter ist Yôseki der Platz des Lehrers und dieser ist am weitesten vom Eingang entfernt. Shimoseki nennt man die Austellung der Schüler. Dem Rang nach geordnet sitzen in erster Reihe vor Shômen die höher graduierten Schüler. In der nächsten Reihe zu Shimose hin die niedriger graduierten und Anfänger. Diese Tradition entstammt aus der Zeit der Samurai. Der Lehrer und die erfahrenen Schüler gelten als Wissensträger und sitzen daher am weitesten von der Eingangstür weg. Im Falle eines Überfalls sollte gewährleistet werden, dass sie nicht Opfer einer schnellen Attacke wurden.
Kommen wir schon zu Punkt 4 und einer etwas ausführlicheren Erklärung.
Wieso heben wir die Hände zum Gebet?
Unabhängig davon, ob man in einem traditionell eingerichteten Dojo mit Kamidana oder in einer Turnhalle trainiert. Wir halten unsere Handinnenflächen vor der Brust zusammengebracht. Die Finger sind parallel, gerade und berühren sich. Die Fingerspitzen zeigen nach oben Hände senkrecht zum Gebet bei der An- und Abgrüßung. Aber wieso? Hier nehme ich eine Erklärung, die mir stimmig erscheint aus Sicht der spirituellen Seite der Kampfkünste. Diese Geste heißt Gasshô, ist ein Mudra und Mudras sind Gesten, die Energie lenken können. Ich gehe hier bewusst nicht weiter auf die energetische Wirkung im Zusammenhang der Chakren ein.
Eine Bedeutung dieses Mudra, ist das Zusammenbringen von Gegensätzen. In diesem Falle ganz offensichtlich: rechte und linke Hand, was als rechte und linke Gehirnhälfte, aktiv und passiv, Sonne und Mond, gesehen werden kann. Das Zusammenfügen vor dem Herzen, die Mitte unseres Seins, bringt Ausgleich und Balance in diese Gegensätze und bringt Bewusstsein zurück.
Das Mudra bedeutet auch „Das Höchste in mir grüßt das Höchste in dir“ oder „Ich grüße dein Wesen“. Wenn die Geste statt vor dem Herzen vor dem Gesicht gemacht wird, möglicherweise in Kombination mit einem leichten Senken des Kopfes, drückt das besonders großen Respekt aus. Werden die Hände dagegen über dem Scheitel des Kopfes ausgeführt, symbolisiert das, dass eine höhere Macht gegrüßt wird. Und genau das machen wir bei der Begrüßung indem wir die höchsten Götter um Beistand für unser Training bitten.
Ihr seht, es gibt unzählige Dinge im Dojo, die einem bei näherer Betrachtung der Wahrheit ein Stück näher bringen und das Leben einfacher gestalten. Also haltet weiterhin die Augen und den Geist offen. Handelt nach dem einfachen jedoch kraftvollen Motto : “Bewusstsein heißt bewusst sein.“
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