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Als wir vor einiger Zeit im Dojo jeden Anwesenden einzeln befragt haben, was sein Beweggrund dafür ist, eine Kampfkunst zu betreiben, erhielten wir überraschende Antworten.
- Ich war auf der Suche nach irgendeinem Sport und dabei bin ich auf Kampfkunst gestoßen.
- Ich habe offensichtlich kein Talent für Ballsportarten, da habe ich mich für Kampfkunst entschieden.
- Ich brauchte irgendeinen Ausgleichsport und habe mich für Kampfkunst entschieden, weil die Trainingszeiten mit meinem Dienstplan vereinbar waren.
- Ich hatte beim Joggen einfach mal so die Eingebung.
- Mein Kumpel hat mir davon erzählt und mich einfach mal mitgenommen.
- Aus Langweile habe ich einfach mal im Internet gesurft, um herauszufinden, was es in unserer Stadt so interessantes angeboten wird.
- Ich interessiere mich für japanische Kultur und deshalb bin ich ins Dojo gekommen, um mehr über Japan zu lernen.
- Ich wollte einfach irgendeinen Sport machen.
- Bei uns in der Gegend wird halt nichts anderes angeboten.
Ich habe im Laufe meiner Kampfkunstzeit noch eine ganze Reihe anderer Gründe gehört, die auf mich noch verrückter wirkten, als die genannten.
Die Frage ist doch, was ist eigentlich der Sinn einer Kampfkunst?
Es geht in erster Linie darum, zu überleben. Es geht darum, sich selbst sicher vor Übergriffen zu schützen, dann seine Familie und vielleicht sein Hab und Gut.
Und es gibt eigentlich nur einen wahren Motor für das Erlernen einer Kampfkunst oder wie im Beispiel Bujinkan, einer Kriegskunst. Der einzig wahre Motor ist Angst.
Angst zu sterben, sich im Ernstfall nicht effizient verteidigen zu können, selbst verletzt zu werden oder in Gefahr zu laufen, dass irgendjemandem, der einem nahe steht, verletzt wird. Das ist doch der erste und offensichtlichste Grund für das Training in einer Kampfkunst.
Wie kann der Grund sein, in Ballsportarten ungeschickt zu sein oder sich sportlich zu betätigen?
Kampfkunst ist kein Sport und hat auch nicht im Geringsten irgendetwas mit Sport zu tun. Wenn es mein Anliegen ist, Sport zu treiben, dann suche ich mir doch eine Sportart, in der auch wirklich Sport betrieben wird, in der man sich auspowern kann, Leistung bringen muss, sich körperlich anstrengen muss um den Blutdruck hoch zu treiben oder Kalorien zu verbrennen. Wettbewerbe werden abgehalten, bei denen man sich mit anderen messen kann und vielleicht winkt ein Pokal, den man sich aufs Regal stellen kann, zu den anderen. Wenn man dann ausreichend geschwitzt hat, kann man in geselliger Runde, im Sportlerheim oder der nächsten Kneipe noch gemütlich ein Bier trinken und die Erfolge feiern.
Aber das alles hat doch nichts mit Kampfkunst zu tun!
Wir trainieren im Bujinkan 9 Ninpo und Bugei- Schulen. Soke Hatsumi Masaaki steht in ungebrochener Linie mit den Begründern der einzelnen Ryuha und damit stehen wir, als seine Schüler ebenfalls in dieser Linie.
Wenn wir also Bujinkan trainieren, stehen wir vorrangig in direkter Tradition mit diesen alten Künsten und damit haben wir die Verpflichtung, diese alten Kampfstile, die einst entwickelt wurden um das eigene Leben zu schützen, möglichst authentisch – soweit das heutzutage noch möglich ist – zu bewahren. Daraus ergibt sich zwangsweise, dass eine Großzahl der Techniken heute nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Die Frage nach unmittelbarer Verwendbarkeit in der heutigen Zeit stellt sich also zunächst überhaupt nicht. Wir trainieren schließlich kein modernes Selbstverteidigungssystem, sondern eine uralte Kriegskunst.
Wenn das Training Spaß macht, ist das toll und wirklich erbauend. Aber was hat denn reines Überleben im Fall höchster Gefahr für Leib und Leben, mit Spaß zu tun?
Wenn man eine Kampfkunst ernsthaft trainiert, stellt sich die Frage, ob das Training Spaß macht oder nicht, überhaupt nicht. Es schadet zwar nicht, wenn Spaß ein Teil des Trainings ist, aber es ist nicht der Kern davon! Trainiert man eine Kriegskunst wahrhaftig, dann geht man auch dann zum Training, wenn man gerade mal keine Lust hat, wenn die Stimmung nicht auf dem Höhepunkt ist und auch dann, wenn einem die Knochen schmerzen. Eine Kampfkunst hat nichts mit Lust zu tun. Man geht ja auch nicht in den Krieg oder die große Schlacht, wenn man gerade Lust dazu hat, oder sich Spaß verspricht und bleibt andernfalls daheim. Man zieht in eine Schlacht, weil man muss, weil es unausweichlich ist. Eine Kriegskunst hat auch wirklich nichts mit Sport zu tun, muss nicht den Mythos erfüllen schön zu sein, oder hübsch anzusehen. Es geht ums nackte Überleben und um nichts sonst!
Ja, mag sein, dass ich das alles ein wenig zu krass sehe, vielleicht etwas zu verbissen betrachte, zu streng und meine Ansichten zu rigide darlege. Andererseits habe ich mir in den fast dreißig Jahren, die ich mich mit dieser Kampfkunst beschäftige, niemals die Frage gestellt, ob mir das Training Spaß macht. Oh ja, ich hatte eine Menge Spaß, habe tolle Leute kennengelernt und unzählige wunderbare Erlebnisse gehabt, auf so vielen Trainingseinheiten und Seminaren. Oft bin ich, von der Anstrengung völlig erschlagen, heimgekommen, mit dem unglaublich befriedigenden Gefühl, ein wunderbares Training gehabt zu haben, auf dem wir viel gelacht haben. Jedes dieser Einheiten hat mich in dem bestätigt was ich tue und meine Motivation beflügelt, möglichst schnell eine weitere Trainingseinheit durchzuführen. Und trotzdem war dies niemals der Motor für mein Training, sondern eher ein angenehmer Beigeschmack, ein spezieller Bonus, den ich gerne zusätzlich mitgenommen habe. Ich hätte keine dieser Trainingseinheiten versäumt, wenn sie keinen Spaß gemacht hätten. Wenn ich jedes Mal zuhause geblieben wäre, als meine Gelenke schmerzten, dann hätte ich bei weit weniger als einem Viertel des Trainings mitmachen können.
Ich trainiere aus Überzeugung. Weil ich für mich erkannt habe, das Bujinkan meine Kampfkunst ist, dass sie wahrhaftig, echt und stimmig ist, dem entspricht, was ich unter einer Kampfkunst verstehe, in all ihren Aspekten.
Ich trainiere sie völlig unabhängig davon, ob sie schön ist, spektakulär, hübsch oder ob sie Spaß macht und auch unabhängig davon ob ich Schmerzen habe, sondern einzig weil sie wahr ist, mit aller Energie die mir persönlich zur Verfügung steht, damit ich meinen Platz ausfüllen kann, so gut ich gerade kann.
Wenn ich einen Sport betreiben wollte, etwas wo ich mich auspowern kann, etwas was Spaß macht oder wo ich meine Zeit verbringen kann weil ich Langeweile habe, dann gäbe es eine große Anzahl von Sportarten die diesen Kriterien eher gerecht würden, als Bujinkan.
Ich bin ein wenig betrübt darüber, dass so wenige meine Überzeugung teilen und zum Training fahren aus den Gründen die eingangs erwähnt wurden.
Wenn nicht mit absoluter Ernsthaftigkeit trainiert wird, kann es nicht zu entsprechenden Fortschritten kommen. Kein Wunder also, das viele nur sehr langsam Fortschritte erzielen und das man als Gruppe nur sehr langsam vorwärts kommt, weil der Lehrer im Grunde genommen bei jedem Training wieder bei Null anfangen muss. Bespricht man einen Aspekt beim Training im Detail, wird das Üben für viele schon nach wenigen Minuten langweilig und sie beginnen die Techniken abzuwandeln, ohne den Kern davon erfasst zu haben. Ungeduldig warten sie darauf, mit der nächsten Technik bespaßt zu werden. Beim nächsten Training fehlen sie dann wieder und die Gruppe kann auf erworbenem Wissen und Können nicht weiter aufbauen. Erscheinen sie dann nach einigen Wochen wieder mal beim Training, weil sie gerade einmal wieder Lust dazu haben, haben sie völlig den Anschluss verpasst und man beginnt wieder einmal von vorn, weil sich gerade diejenigen die gefehlt haben, mit den Techniken überfordert fühlen, dem Training nicht folgen können und dann noch mehr von der vorgegebenen Struktur abweichen.
Achtung. Ich rede hier jetzt nicht über die Leute, die zum Beispiel aus beruflichen Gründen nicht können, weil sie Wechselschicht haben oder sich im Außendienst befinden. Gerade diese Leute tun in der Regel alles, was möglich ist, um konstant trainieren zu können. Es geht vielmehr um diejenigen, deren Schweinehund zu übermächtig ist und die nicht in der Lage sind zu erfassen, was das Bujinkan wirklich ausmacht.
Ja, natürlich hat jeder das Recht und auch die Möglichkeit, dann aufs Training zu kommen, wenn es ihm passt, wenn er Lust dazu hat und auf der Couch liegen zu bleiben, wenn ihm gerade danach ist.
Mir ist natürlich auch klar, dass ich eigentlich nicht das Recht habe die Motivation und Beweggründe eines anderen in Frage zu stellen und das zu bemäkeln.
Andererseits ist es auch mein Job und meine Verpflichtung als Bujinkan Shidoshi darauf hinzuweisen und die Schüler anzuregen, darüber nachzudenken, was ihre wahren Gründe fürs Training sind. Vielleicht gelingt es, den einen oder anderen zum Umdenken zu bewegen und mal ernsthaft zu reflektieren was eine Kampf – und Kriegskunst wirklich ausmacht.
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