Meine Gedanken

Goshinjutsu, Banpenfugyo, Gakorai Tosha, Kamae…

Als ich vor Jahrzehnten begonnen habe mich mit Kampfsport und später Kampfkunst zu
beschäftigen, stand ein Punkt im Zentrum meiner Aufmerksamkeit.
Goshinjutsu.
Ich wollte primär erlernen wie ich mich selbst verteidigen kann.

Dabei habe ich mir eine Reihe von Fragen gestellt, die im Bezug zum Grundproblem stehen:
Was ist eigentlich Selbstverteidigung?

– Ist Selbstverteidigung meine Reaktion darauf, wenn mich ein Gegner direkt angreift?
Klar ist es das!
– Aber was ist, wenn er mich nicht körperlich angreift, sondern verbal?, oder
energetisch?
– Und was ist wenn er eine Waffe benutzt? Eine einfache wie einen Stock, oder
schlimmer noch, ein Messer oder eine Schusswaffe. Fällt das auch noch in den
Bereich der Selbstverteidigung? Natürlich tut es das.
– Wie sieht es aber aus, wenn ich mich nicht nur gegen einen einfachen Gegner
wehren muss, sondern vielleicht gegen zwei oder mehrere?
– Und was ist, wenn ich mich gegen ein Tier verteidigen muss? Zum Beispiel gegen
einen Hund, der zähnefletschend auf mich zugerast kommt, während das Herrchen
im Hintergrund lauthals schreit „Der will nur spielen“. Wie habe ich dann vorzugehen
und was weiß ich eigentlich über die Anatomie eines Hundes?
– Was ist, wenn die Angreifer kleiner sind? Zum Beispiel Bakterien oder Viren. Gehört
das nicht auch dazu? Und habe ich alles getan was notwendig ist, um mein
Immunsystem zu stabilisieren? Genau das ist doch die Frage, die uns im Moment
besonders beschäftigt.
– Und was ist mit mir selbst? Wie sieht es aus, wenn ich mich selbst angreife? Zum
Beispiel im Rahmen einer Autoimmunkrankheit, oder einer banalen Verletzung? Und
was ist eigentlich mit meinen Gedanken? Habe ich auch meine Gedanken unter
Kontrolle, dass ich mich nicht überrollen lasse von negativen Gedanken, Gefühlen,
Ängsten und Panik oder vielleicht einer Depression?
– Habe ich nicht auch die Pflicht mich nicht nur um mich selbst zu kümmern, sondern
ist es nicht auch meine Aufgabe, anderen beizustehen, die meiner Hilfe bedürfen,
weil sie in Bedrängnis und Not geraten sind, und das sowohl gegen innere und
äußere Feinde?

All dies gehört meines Erachtens zur Selbstverteidigung Goshinjutsu dazu, muss beachtet,
trainiert, ständig geübt und unter Kontrolle gehalten werden. Wir befinden uns zur Zeit in einer schwierigen Situation.
Ein winzig kleiner Partikel, der Coronavirus beeinflusst unser gesamtes Leben, unsere
Kommunikation, den Kontakt mit unseren Mitmenschen und die Freiheit uns so zu bewegen
wie wir es wollen.
Was habe ich getan um vorbereitet zu sein?
Habe ich mich mit all den Punkten intensiv auseinandergesetzt, habe ich fleißig und
unnachlässig geübt, trainiert und Vorbereitungen getroffen?
Oder lasse ich mich in der akuten Situation von den Geschehnissen überfahren?

Banpenfugyo – Ten thousand changes, no surprise.
Dinge können sich auf zehntausend Arten verändern, ich lasse mich nicht davon
überraschen.

Aber was bedeutet das eigentlich?
Ich denke, dass die Meisten es auf folgende Art interpretieren: Wenn sich die Dinge ändern,
dann passe ich mich dynamisch der neuen Situation an und reagiere entsprechend, dass ich
im Fluss des Lebens bleibe.
Ok, etwas philosophisch ausgedrückt, aber ich denke es ist eine gute Umschreibung.
Ich glaube aber dass Banpenfugyo noch eine andere Seite hat.
Wir lassen uns nicht überraschen, weil wir vorbereitet sind.

Anders als in anderen alten Koryu trainieren wir im Bujinkan nicht ständig die gleichen, präzise
auszuführenden Bewegungen, nach immer dem gleichen Schema.
Wir wechseln häufig die Partner, die Distanz, den Winkel, den Rhythmus, die
Geschwindigkeit, kombinieren es mit anderen Techniken und bauen bewusst Fehler ein, wie
falsche Distanz, Winkel und Timing.
Warum tun wir das? Um vorbereitet zu sein.
Damit wir uns nicht immer in vorgegebenen Bahnen bewegen, sondern uns anpassen
können, vorbereitet sind. Für den Fall, dass ein Gegner uns angreift in einer Art, die wir im
Training nicht trainiert haben, und es ist wichtig zu verstehen, dass ein Gegner niemals so
angreift, wie wir es geübt haben. Dann können wir darauf reagieren, weil unser Hirn die
aktuelle Situation wiedererkennt, aus einem winzigen Bruchstück eines Trainings vor
Ewigkeiten.
Wir sind vorbereitet und können uns dann anpassen.

Wie gut bist du auf die aktuelle Situation vorbereitet?
Hattest du im Vorfeld genügend Nahrungsmittel im Haus, damit du eine vielwöchige
Quarantäne überstehen kannst, ohne auf andere Menschen angewiesen zu sein, die für dich
einkaufen müssen? Hattest du genug Getränke im Haus oder Medikamente? Wie verbringst
du die Zeit eines Hausarrests? Hattest du einen Plan?Oder musst du jetzt einfach reagieren auf die Umstände, die dich überfahren, weil du
geglaubt hast, dass es wohl nicht so schlimm ist, alles übertrieben dargestellt wird und dass
alles auch so irgendwie wieder gut wird?
Wie gut warst du vorbereitet?

Unser Training ist nicht das Lernen wie man kämpft, sondern lernen wie man lebt und wie man
sich vorbereitet!
Es geht beim Bujinkan ums Leben und Überleben, ums vorbereitet sein, damit man sich in
Krisensituationen anpassen kann ohne in Schockstarre zu geraten und verzweifelt zu
versuchen klar zu kommen.
Banpenfugyo ist vorbereitet sein.

Gakorai tosha akuma fudo.
„Wenn die große Schlacht auf mich zu rollt, und sei es der Teufel persönlich, ICH WERDE
NICHT WEICHEN!“

Wir sind Krieger!
Das ist genau das was jetzt gefragt ist.
Nicht weichen, sondern standhaft bleiben. Das Beste geben, die Vorgaben beachten und
nicht unnötig aus der Reihe tanzen um andere damit zu gefährden.

Und wenn Langeweile entsteht und man nicht weiß was man treiben soll in der Zeit von
Ausgangsbeschränkungen, dann engagiert euch doch für Hilfsbedürftige und kauft für sie
ein.
Auch das das hat etwas mit Krieger sein zu tun.
Laut dem Leitsatz der Krieger: Wo ich bin, ist die Welt etwas sicherer.

Haltet eure Kamae und bleibt standhaft.
Bujinkan ist toll. Es bietet uns so viele Möglichkeiten.
Zu jeder Zeit, an jedem Ort kann man trainieren. Auch alleine!
Kamae no Kata, Sanshin no Kata, Kihon happo, die Kamae mit Bo und Schwert.
Also weg mit der Playstation, kein Netflix oder Amazon Prime Video.

Der wahre Wert des Trainings zeigt sich im realen Leben.
Dig on. Never stop Training.

Beste Grüße, bleibt gesund
Thomas


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