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Die Natur strebt nach Gleichgewicht, ständig und unmittelbar. Ein Gleichgewicht der Kräfte führt zur Stabilität und Ruhe. Und doch gerät das Leben unentwegt aus dem angestrebten Gleichgewicht. Dies führt zu Anpassung, Weiterentwicklung und neuen Strategien, mit denen die Balance wieder hergestellt werden kann. Ist der Gleichgewichtspunkt erreicht, ergibt sich daraus der Neubeginn einer Dysbalance und gibt damit Raum und Gelegenheit für neue Anpassungen, also Weiterentwicklung.

Wichtig ist es zu verstehen, dass dies für alle Bereiche des Lebens gilt und auf allen Ebenen.

Einerseits wird gerade in den Kampfkünsten besonderer Wert auf das Brechen des Gleichgewichts gelegt, andererseits muss man sich gerade in diesem Moment mit seinem Gegner im perfekten Gleichgewicht befinden. Je weiter die Balance des Gegners schwindet, umso mehr muss sich das Eigene stabilisieren.

Darauf aufbauend betrachten wir das Training und im Besonderen die Graduierungen nun ebenfalls aus dem Aspekt des Gleichgewichts.

Es gibt im Bujinkan eine ganze Anzahl von Graduierungen. Neun Kyugrade und 15 Dangrade umfasst dieses System. Während einerseits jede Graduierung seine besondere Bedeutung hat, gibt es doch drei Ränge, die deutlich hervorstechen. Dies sind der erste Dan, der Godan oder genauer gesagt die meist damit verknüpfte Shidoshilizenz, also die umfassende Lehrbefugnis im Bujinkan, und letztendlich der zehnte Dan.

Bekommt ein Schüler eine Graduierung, so geschieht das meist aus dem Grund, dass er sich diese verdient hat, oder quasi im Voraus, als Ansporn, dem neuen Grad durch intensiveres Training gerecht zu werden. Er begibt sich also in ein Ungleichgewicht und soll bestrebt sein, das Gleichgewicht durch verbesserte Leistung wieder herzustellen.

Dies gilt im Grunde für alle Graduierungen. Aber die drei zuvor genannten stechen durch ihre besondere Position deutlich heraus. Gerade diese Graduierungen sind gleichzeitig mit einer deutlich höheren Verantwortung verbunden, als alle anderen. Wenn man betrachtet, dass die Shidoshilizenz mit Sicherheit die wichtigste aller Graduierungen ist, die einen dazu berechtigt, alle Aspekte des Bujinkan frei zu lehren, ohne Supervision eines höher Graduierten und mit der Erlaubnis ein eigenes, selbstständig geführtes Dojo zu eröffnen, nunmehr als persönlicher Schüler von Soke, dann wird klar, dass der Godan eine besonders herausragende Stellung einnimmt.

Dabei sollte einem bewusst werden, dass man sich mit diesen drei Graduierungen, aber gerade mit dem Godan, besonders weit aus dem Gleichgewicht bringt. Dies erfordert eine bedeutsam größere Aufwendung an Energie und Arbeit, um zur Balance zurück zu finden.

Es kann und darf also nicht so sein, dass sich der Graduierte zurücklehnt und sich im neuen Rang sonnt, sondern gerade jetzt ist weit mehr Arbeit erforderlich, als jemals zuvor!

Es gibt einen besonderen Punkt den es zu beachten gilt.

Natur strebt nach Gleichgewicht. Mit allen Mitteln.

Bin ich nicht gewillt, alles was in meiner Macht steht zu tun, um das Gleichgewicht der Kräfte wieder herzustellen, wird die Natur dafür sorgen, dass dies geschieht und ich werde den Rang und die damit verbundenen Privilegien wieder verlieren, oder auf irgendeiner anderen Ebene meinen Tribut dafür zahlen müssen. Dies muss dann nicht im Bereich Training erfolgen, sondern kann sich genauso gut auf völlig anderen Gebieten abspielen, zum Beispiel Verlust von Gesundheit, finanziellen Mitteln, Anerkennung auf der Arbeit und so weiter. Letztendlich wird die Natur das energetische Gleichgewicht wieder herstellen, auf die eine oder andere Art.

Will man also nicht auf irgendeiner Ebene Verlust erleiden, sollte man bestrebt sein, aus eigenem Antrieb alles Erforderliche zu tun, um die Balance wieder herzustellen.

Dies gilt für jede Graduierung, für den ersten und den zehnten Dan umso mehr und ganz besonders für den Godan.

Ich habe immer wieder ganz besonders darauf hingewiesen, dass man im Falle einer Graduierung unbedingt etwas unternehmen muss, um das Gleichgewicht der Kräfte wieder herzustellen und sich damit die Graduierung auch dauerhaft sichert und verdient.

Leider beobachte ich immer wieder, dass genau dieser Aspekt sträflichst vernachlässigt wird und sich offenbar niemand wirklich über die energetischen Folgen im Klaren ist. Stellt sich dann im Nachhinein auf irgendeiner Ebene ein großer Verlust ein, dann kommt das große Ach und Wehklagen und man kann überhaupt nicht verstehen, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Bei diesen Graduierungen reicht es meiner Ansicht nach nicht, einfach weiterhin mehr oder minder motiviert und regelmäßig zum Training zu kommen und sich zukünftig vorzunehmen, sich etwas mehr mit der Theorie zu beschäftigen, was die meisten im Nachhinein doch nicht tun.

Diese Graduierungen fordern etwas Besonderes, etwas Herausragendes. Etwas was mit einem eigenen Energieaufwand vergleichbar ist, der der entsprechenden Graduierung auch gerecht wird.

Was genau bin ich bereit, an Energie zu investieren, damit ich mir die Erlaubnis ein eigenes Dojo zu eröffnen und unabhängig Training halten zu dürfen, auch energetisch verdiene?

Steht weiteres, reguläres Training damit wirklich in echter Relation? Ich denke nein!

Die Missachtung der energetischen Relation findet schon bei den niedrigsten Kyugraden statt, was mich ganz besonders schockiert.

Wenn ein Schüler eine Graduierung erhält, sei es mit ordentlicher Prüfung, oder als Graduierung ohne Prüfung, dann ist es doch selbstverständlich, dass man dem Prüfling zum neuen Grad gratuliert. In eigentlich allen Fällen kann man beobachten, dass sich der Graduierte über die Glückwünsche freut und diese auch gerne annimmt.

Das ist sehr erfreulich, aber gleichzeitig auch sehr sonderbar.

Betrachtet man den Umstand, dass der graduierte Schüler seinen neuen Grad nur der Tatsache verdankt, dass die anderen Schüler mit ihm ordentlich trainiert haben und der Lehrer sein Wissen an ihn weiter gegeben hat, dann wäre doch eigentlich – auch im Sinne der Wahrung von Gleichgewicht – anzunehmen, dass sich der Prüfling nochmal in aller Form und in Dankbarkeit bei den Kolleginnen, Kollegen und insbesondere beim Lehrer für die Unterstützung und Anleitung bedankt. Aber genau das ist eigentlich in gar keinem Fall zu beobachten. Ich persönlich halte es auch für völlig normal, dass man nach einer weiteren Graduierung, am gleichen Abend, oder spätestens beim nächsten Training, den anderen Schülern ein Getränk ausgibt, oder irgendeine Kleinigkeit zum Essen mitbringt. Nicht weil wir alle am Verhungern sind, sondern als kleine Aufmerksamkeit, Dankbarkeit und Anerkennung. Niemand würde erwarten, dass man ein Mehrgängemenü mitbringt, aber ist es denn wirklich zu viel verlangt, sich in irgendeiner Art und Weise dankbar zu zeigen?

Warum erfolgt so etwas nicht einfach aus sich heraus? Warum ist es nötig in einem solchen Schreiben noch einmal darauf hinzuweisen? Es sollte doch eigentlich das Natürlichste und Normalste auf der Welt sein.

Ich tue mich also wirklich sehr schwer mit dem Gedanken.

Da kann man, denke ich, auch nicht damit argumentieren, dass die guten alten Zeiten, in denen das selbstverständlich war, vorbei sind und dass alles jetzt nicht mehr zeitgemäß ist.

Ich bin der Meinung, dass das einfach zu den normalen Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens gehört und kann nicht verstehen, warum die Schüler nicht von allein daran denken. Sind wir heutzutage denn alle so oberflächlich und leben die Geiz ist geil Mentalität? Ist die Graduierung damit vollendet, dass man die Prüfung beim Lehrer bezahlt hat?

Ist da die Unnötigkeit des Danke sagens bereits inklusive?

Und besonders erstaunlich fand ich damals, bei den ersten Trainingseinheiten im Dojo, dass sich niemand beim Trainingspartner für das Training und die aufgewendete Mühe und Zeit bedankt hat. Erst nachdem ich mich sehr systematisch und sehr demonstrativ nach dem Training bei den Partnern bedankt habe, hat dies so langsam Eingang gefunden in den Trainingsablauf und gilt heute als normal. Dabei wäre das doch von vornherein selbstverständlich gewesen, weil es dem Geist des Budo entspricht.

Dankbarkeit und Gleichgewicht scheint mir ein großes Manko zu sein und hat mich veranlasst, dies alles hier zu schreiben, in der Hoffnung, dass sich zumindest einige ernsthaft Gedanken darüber machen und zukünftig mehr Aufmerksamkeit darauf legen, im Gleichgewicht zu sein und auch zu bleiben.